Nachádzate sa tu

Zu Besuch bei Zdenka im Gefängnis von Rimavská Sobota

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Mein Mann Cyril Scheling war Bruder der heute schon seligen Zdenka. Geboren wurde er als letzter von elf Geschwistern und war drei Jahre jünger.

Mein Mann Cyril Scheling war Bruder der heute schon seligen Zdenka. Geboren wurde er als  letzter  von elf Geschwistern und war drei Jahre jünger. Durch das Alter, Kindheit- und Jugendwelt waren sie sich sehr nahe, was ihnen über das ganze Leben blieb. Um den Cyril sorgte sie sich vom Kind auf sehr. Sie war’s , die ihn im Kinderwagen hin und her durch die unebenen  Strassen von Kriva  kutschierte, sie begleitete ihn zur Schule am ersten Schultag und sie lehrte ihn die ersten Buchstaben schreiben und das Rechnen.

Als sie ins Kloster ging, pflegten sie beide eine rege Korrespondenz miteinander und für Cyril war es mit der Zeit fast eine Pflicht, einmal im Jahr Zdenka in Bratislava zu besuchen. Im Juli 1947 an seinem Namenstag und Fest von der heiligen  Cyril und Methodius, beginnt sie so ihr Gratulationsbrief:

„Mein geliebter Bruder.

Am liebsten würde ich Dir die ganze Schönheit des Sommers schenken und die ganze Schönheit der Blumen würde ich in ein Sträusschen einbinden und Dir zu Deinem Namenstag senden“.

Als Zdenka verhaftet wurde, waren wir vier Jahre verheiratet. Meinen  Mann hat’s sehr betroffen gemacht. Wusste aber nichts von ihrem Lied, weil durch die Mauern und Wände der Gefängnisse an die Öffentlichkeit keine Informationen kamen. Wir wohnten damals in der Jagdhütte unweit von Šafarikovo. Nach dem Gerichtsurteil wurde sie ins Gefängnis von Šafarikovo verlegt. Von dort schrieb sie uns, dass wir ihr ein Paket von einem Kilo schicken durfen. Das haben wir gerne getan. Die Genehmigung kam  einmal im Monat, bis es dann mit der Zeit aufhörte. Zdenka durfte keine Pakete mehr erhalten. Es war als Strafe, weil sie  ihre Mitgefangenen nicht anzeigen wollte.

Erst, eines Tages, im Frühling 1953 kam die Genehmigung für einen Besuch. Und so gingen wir auch mit unserer kleinen zwejährien Tochter Zdenka, die ihren Namen trug. Rimavska Sobota, mit dem Bus,  war nicht so weit. Es wartete auf uns  die unfreundliche Umgebung eines Gefängnisses.  Im Besucherzimmer war nur ein langer Tisch. Sie brachten sie in einem groben, dunkelgrauen Gewand. Sie war mager und blass. Neben ihr stand eine uniformierte, bewafnete, sehr unfreundliche Aufseherin. Sie machte uns aufmerksam darauf, worüber wir nicht haben sprechen durfen. Selbstverständlich durften wir uns dir Hände nicht reichen und das mitgebrachte Päckchen nicht überreichen.

Sie begrüsste uns, lächelte, fragte, wie es uns so gehe, wie gehe es der Familie in Kriva, sprach auch die kleine Zdenka an. Sicher hätte sie sie gerne gestreichelt und umarmt.

Wir standen am anderen Ende des Tisches und waren sprachlos. Meinem Mann, als er seine Schwester sah,  gingen alle die Jugenderinnerungen durch den Kopf, auch die Erinnerungen an die Familie, an die Liebe,  die sie uns, auch dann später immer schenkte. Als er sie in diesem Zustand und Erniedrigung sah,

weinte nur und war unfähig etwas zu sagen, Ich fühlte genau so. In der Brust war alles irgendwie zu, man konnte nichts sagen. Das waren schon Emotionen, die im Gefängnis nicht geduldet wurden und die Besuchzeit war zu Ende.

Wir gingen ohne uns zu verabschieden. Meinem Mann flossen die Tränen noch im Bus über die Backen, zu Hause auch; und wir haben miteinander lange nicht geredet. Mir tat leid vor allem, das ich ihr das kleine Päckli habe geben durfen. Es wäre ja eine Erinnerung an uns und natürlich eine kleine  Verbesserung der armseligen Gefängnisverpflegung. Die Last der Grobheit konnten wir lange nicht mehr tragen und heute noch manchmal denke ich darüber nach.

Kurz danach wurde Zdenka in die Tschechei verlegt, nach Pardubice, als Strafe, dass sie sich weigerte gegen die Gefangennen auszusagen.  Dort konnten wir sie nicht mehr besuchen und so lebendig sahen wir sie nie mehr. Mein Mann Cyril war in Trnava an der Beerdigung. Kam traurig zurück und lange dachte er darüber nach. Ich blieb Zuhause mit unserer zweiten kleinen Tochter. 

Ein altes slowakiche Sprichwort sagt, dass in der Familie könne man sich die Verwandschaft nicht auswählen. Die Lebenswege  haben uns beide, mich und Cyril, zusammen gefügt, und zwar über hunderte von Kilometern, vom Norden bis zum Süden. Zdenka war die ganze Zeit bei uns. 1975, im Alter von 56 Jahren starb er und ich, dann,  nach Jahren, kam in ein Haus für ältere Menschen in Martin. Dort, nach 50 Jahren, seit dies alles in diesem Gefängnis geschah, sagte mir eine Mitbewohnenrin, dass das gleiche Bild von der Sr. Zdenka, das in meinem Zimmer hängt,  habe auch eine andere Frau, die nach vielen Jahren, aus England, auch hierher kam. Selbstverständlich bin ich zu ihr gegangen.

Wie und woher kennen sie diese Schwester?“, fragte ich.

„Wie könnte ich sie nicht kennen.“ Sagte sie. „Wir waren vor 50 Jahren zusammen im Prager Gefängnis Pankrac. Das ist die selige Schwester Zdenka. Und sie blieb in meiner Erinnerung für das ganze Leben. Es war eine wunderbare Frau und ich pflegte sie, nach der Operation, der sie sich nach Foltern hat unterziehen müssen. Heute noch sehe ich ihre verletzte und amputierte Brust. Es war ein schrecklicher Anblick. Und wer sind sie?“

„Ich bin Irma Schelingová, ihre Schwägerin.“ Stellte ich mich Frau Helena Kordová vor, so war ihr Name. Vielleicht sagt ihr jetzt: Zufall. Ich überhaupt nicht. Gottes Fügung und seine Wege können keine Grenzen. Auch bei uns war es so. Lange und lange sprach mir Frau Helena über alles, bis auf kleine Details, von denen die Welt wissen musste. Deshalb liess sie der liebe Gott so lange am Leben. Sie starb vor einem Jahr 94 jährig. So etwas vergisst man nie.

Irma Schelingová

Niedergeschrieben von Jozef Habovštiak, Juli 2012.

Ins Deutsch übertragen von P. Timo Masar SJ